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MITTELSTAND IN DEUTSCHLAND - BLOG
Wenn das Krokodil zuschnappt: Konfliktdynamiken sind biologisch bedingt
Autor: Antje Groth, Mediatorin und Rechtsanwältin
Datum: 25.03.2021
Kategorie: Wirtschaft & Recht
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„Bleiben Sie doch mal sachlich!“ Leichter gesagt als getan, wenn wir mit Anderen aneinandergeraten und Emotionen auflodern. Denn genau in solchen Momenten kommt Leben in unseren Körper. Die Gedanken rasen, die Pupillen verengen sich, der Puls steigt und die innere Erregung befeuert uns. Das sind die Momente, in denen wir beginnen, die Kontrolle abzugeben an – ja an wen oder was eigentlich?

In unserem Körper übernimmt der Autopilot. Unser Gehirn wittert eine vermeintliche Bedrohung. Wissen wir nicht ad hoc einen Ausweg aus der Situation, legt unser limbisches System den Schalter um und geht auf Alarm. Die Folge ist: STRESS.

In Sekunden entwickelt sich unser Körper zum Schnellbrüter: Unsere Bronchien weiten sich, um mehr Sauerstoff aufzunehmen. Die Atmung wird schnell und flach. Zudem schlägt das Herz schneller und stärker, der Blutdruck steigt, die Blutgefäße verengen sich. Unsere Muskeln werden besser durchblutet, spannen sich stärker an. In kürzester Zeit mobilisiert unser Körper hohe Leistungsreserven, die durch körpereigenes Glykogen und durch Fettsäuren wie eine Traubenzuckerspritze wirken. Gleichzeitig bekommen wir unter anderem einen Adrenalinschub. Und das alles in einem Bruchteil von Sekunden, ohne dass wir es verhindern können. Wir sind nicht mehr wir selbst.

Das mit gutem Grund, denn egal wie agil, digital, modern und hipp wir sind – in unseren ältesten und tiefsten Überlebensstrategien sitzen wir immer noch in der Steinzeithöhle. Und da zählt für das Überleben jede Sekunde. Das ist der Grund, warum unser vegetatives Nervensystem nicht steuerbar ist.

In solchen Automatismen können wir uns zum Krokodil entwickeln, mit dem Instinkt zu vernichten. Wir schnappen zerstörend zu. Oder wir holen das Pferd in uns hervor und treten die Flucht an. Ignorierend den Kopf in den Sand zu stecken wie der Vogel Strauß bzw. sich wie der Welpe zu unterwerfen, sind weitere Möglichkeiten, mit denen wir auf Stresssituationen reagieren können.

Egal ob Krokodil, Pferd, Vogel Strauß oder Welpe – in einem solchen Stadium geht es biologisch ums Überleben und nicht um gute und nachhaltige Lösungen.

Sätze wie „Immer schön sachlich bleiben“, „Nun mal ganz ruhig“ und „Nun reg Dich doch nicht so auf“ helfen nicht weiter, sie können die Situation verschlimmern. Um wieder selbstbestimmt handlungsfähig zu werden, muss der präfrontale Cortex (der Sitz der Vernunft in unserem Gehirn) Raum bekommen.

Und das geht nur, indem wir den Stresslevel runterfahren. Wir können zwar nicht die biologischen Stressreaktionen in unserem Körper regulieren, - aber den Stresslevel. Und das geht umso besser, je früher wir wissen oder erkennen, dass die roten Knöpfe gedrückt sind und die Achterbahn startet.

Dieses frühzeitige Wissen und Erkennen der roten Linie setzt ein Gespür für die eigene Person, den eigenen Körper voraus. Unser Körper ist unserem Gehirn weit voraus und nimmt für uns unbewusst mehr als 90% der Informationen auf. Das ist deutlich mehr als unser Gehirn bewusst mitbekommt. Das bedeutet, dass wir Großteils unbewusst (re)agieren. Wer gut seinen Körper und dessen Signale wahrnehmen kann, ist klar im Vorteil. Und dieses Gespür für uns und unseren Körper können wir lernen: Durch Präsenz. Präsenz bedeutet, nicht abgelenkt zu sein. Das, was im Augenblick ist, wahrzunehmen. Und das gelingt durch Übung.

Merken wir rechtzeitig, dass eine Stresssituation entsteht, können wir in unseren „Handwerkskoffer“ greifen und die passende Übung rausholen, anwenden und unseren Stresslevel senken. So kommen wir konstruktiven Lösungen näher als in die Steinzeithöhle abzubiegen.

Die einfachste und doch wirkungsvolle Übung, die ich kenne, sind „drei tiefe Atemzüge“: Dreimal wirklich tief ein- und voll ausatmen. Wenn Sie bewusst ein und ausatmen, entfaltet dieses Zaubermittel sogar Wirkung auch auf alle Anwesenden. Probieren Sie es aus. Sie müssen nichts erklären, - einfach nur tun.